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Ich komme aus einer patriarchalischen Gesellschaft, in der das Konzept des „Macho“ in direkter Verbindung zum „besten Stück“ in stolz erhobener Position steht. Die Bemühungen meiner Mitbewohner, mich von den Qualitäten und Vorzügen des Pinkelns im Sitzen zu überzeugen, schockierten und verblüfften mich anfangs völlig. Die Tatsache, daß man von mir verlangte, die Hosen und Unterhosen runterzuziehen, um mich auf die Klobrille zu setzen, anstelle die simple Aufgabe zu erfüllen, mein „bestes Stück“ sanft mit Daumen und Zeigefinger in Position zu bringen (es mag einige geben, die die ganze Hand benutzen, aber wir sprechen hier mal nur von zivilisierten Menschen, ohne extreme Angewohnheiten), war ein harter innerer Kampf mit einigen - ob zum Guten oder zum Schlechten - anerzogenen Prinzipien.

Wegen eben jenes - vielleicht falschen - Machostolzes werde ich das Resultat nicht preisgeben, aber ich will Ihnen erzählen, wie sich mein Alltagsleben mit meinen Mitbewohnern im Bad meiner ersten Residenz 1983 in der Stadt Kiel gestaltete. Es war eine typische Wohngemeinschaft aus Verstreuten der glorreichen 70er Jahre, alle Studenten der Biologie. Besonders erwähnenswert wegen seiner Statur, seinen blonden Locken, seinen Wikinger-Zügen, seines spontanen und sorglosen Charakters: mein Freund Olaf. Olaf lebte dort mit seiner vorurteilslosen, freizügigen und emanzipierten Freundin, von mir liebevoll „la flaca“ genannt, die immer wie eine Wolke an uns vorbei schwebte und eine engelhafte Aura und ein Gefühl befreiender Anarchie hinterließ. Meine ersten Erfahrungen im Bad in Deutschland stehen in direktem Zusammenhang mit dieser auf sympathische Weise zarten „flaca“.

Ich saß auf der Brille und verrichtete eben jene Notdurft, die diskussionslos alle Menschen im Sitzen verrichten, tief in Gedanken versunken, da kam „la flaca“ ins Bad und schaute mich an, als wär nichts...

„Moin, Paplò“, sagte sie und ging an mir vorbei zur Badewanne, öffnete den kalten und warmen Hahn, steckte den Stöpsel in den Abfluß, prüfte mit dem Handrücken die Wassertemperatur und ließ die Badewanne voll laufen.... Mit einem „Komm gleich“, als vorläufigem Abschiedsgruß verließ sie das Bad, wiederum ganz als wär nichts.

Ich war abwechselnd bleich und rot geworden und noch nicht einmal in der Lage, das „Moin“ zu erwidern. Ich beeilte mich, meine Aufgabe zu beenden bevor sie ihr Versprechen des „Komm gleich“ einlöste und als ich aufgestanden war, die Hosen noch immer unten, die Unterhosen gerade auf dem Weg nach oben ... zack! ... kommt „Flaca“ herein, splitterfasernackt!!! „Laß Dich nicht stören!“ und ... platsch ... tauchte sie in die Badewanne ein, abermals ganz als wär nichts.

Ich zog mir die Hosen hoch, nestelte umständlich an meinem Gürtel bei dem Versuch, möglichst schnell mit dem Nippel der Schnalle das Gürtelloch zu treffen und ging mit zittrigen Knien und einer Mischung aus Schuldgefühl, Lächerlichkeit und dem Gefühl das Opfer einer Demütigung und Ungerechtigkeit geworden zu sein, das Bad.

Das Leben verlief in jenem Haushalt zukünftiger Biologen sowohl im Bad als auch in der Wohnküche mit der gleichen einzigartigen Natürlichkeit mit der uns auch die Spinnen, Schlangen, Ameisen, Grillen, Kaulquappen, Kröten, Skorpione und Käfer observierten, immer in Begleitung des unausweichlichen Blicks von „la flaca“.

Mit der Zeit sollte ich mich an ihre Anwesenheit im Bad gewöhnen, aber an was ich mich nie gewöhnte, war dem Vorschlag zu folgen, in ihrem Badewasser zu baden, wie es einige der Mitbewohner abwechselnd taten, um wie sie sagten „im englischen Stil Wasser zu sparen“.

Der einzige, mit dem ich noch heute in Kontakt stehe und mit dem mich eine tiefe Freundschaft und tiefer Respekt verbindet ist mein Freund Olaf, hervorragender Biologe aus Kiel, abenteuerlicher Weltenbummler, Musiker - aus Überzeugung und Nähe zu Lateinamerika - passionierter Tangotänzer, fanatischer Liebhaber der „flacas“ und unbeugsamer Verteidiger des Tier- und Pflanzenreichs... ach ... und auch der gemeinsam genutzten Bäder!

„la flaca“ = die schlanke Frau